Kursinhalt
Einleitung
Ein kurzer Einstieg in die juristischen Gedankenwelt.
0/4
Rechtsstaatliche Prinzipien
Überblick über rechtsstaatliche Prinzipien, Struktur insbesondere Gewaltenteilung und Gesetzgebung
0/3
Rechtsgebiete und Gerichtsbarkeiten
Überblick über die Abgrenzung folgender Rechtsgebiete bzw. Gerichtsbarkeiten: Staatsrecht, Verwaltungsrecht, Strafrecht, bürgerliches Recht, Handelsrecht
0/6
EU-Recht
Überblick über die Organisation der EU sowie Einfluss auf das deutsche Gesundheitswesen
0/1
Allgemeines Recht für Gesundheitsberufe
Lerneinheit

Grundkenntnisse der Rechtsanwendung sind von Vorteil, sofern man besser verstehen will, was vor Gericht passiert. Anderenfalls kann das alte römische Sprichwort

„Vor Gericht und auf hoher See sind wir allein in Gottes Hand“

schnell wahr werden. Natürlich lässt sich diese scheinbare Hilflosigkeit im Umgang mit Recht und Gesetz dadurch nicht gänzlich vermeiden, aber es hilft insbesondere juristischen Laien die ach so „weltfremden“ Urteile besser vorhersehen und einordnen zu können.

Subsumtion

Normen sind wie wir bereits wissen abstrakt-generelle Sollen-Sätze. Diese müssen herunter gebrochen werden auf individuell-konkrete Lebens- oder Realsachverhalte. Diese Umsetzung bezeichnet der Jurist als Subsumtion. In der Praxis verläuft der Weg naturgemäß in die umgekehrte Richtung. Der Anwalt oder Jurist bekommt einen Realsachverhalt geschildert und versucht diesen unter eine abstrakt-generelle Norm zu subsumieren. Es geht somit um das Zusammenfügen von zwei Ebenen. Dabei kann jedes Detail entscheidend sein, was einer der Gründe ist, warum ein Jurist auf Fragen oftmals mit

„Das kommt darauf an.“

antwortet. Denn abhängig von den Details kann eine Subsumtion unter eine Norm a) oder eine Norm b) gelingen.

Auslegung

Die Auslegung von Normen ist eine der wichtigsten Aufgaben des Juristen. Grundsätzlich stehen vier Hauptmethoden zur Verfügung. Hiervon sind im Bereich des sozialversicherungslastigen Gesundheitssystems insbesondere die grammatikalische und die systematische Auslegung von Bedeutung. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sind es lediglich diese beiden Methoden, die zur Beurteilung von Abrechnungsfragen – Hauptstreitpunkte im Leistungsrecht – herangezogen werden dürfen. Alles andere würde den Abrechnungsverkehr unvorhersehbar und transparent machen. Daneben existieren noch die teleologische und die historische Auslegung – nur der Vollständigkeit halber.

Grammatikalische Auslegung

Mit der grammatikalischen Auslegung ist die Auslegung nach dem Wortsinn gemeint. Sie geht von der Annahme aus, dass alles Relevante in der Norm (Gesetz, Verordnung, Vereinbarung, etc.) niedergeschrieben ist. Auf dieser Methode beruht auch der beliebte Juristenspruch

„Ein Blick ins Gesetz erspart viel Geschwätz!“

Damit sind auch die Vertragspartner in den GKV-Verträgen bereits gefordert alles was „gemeint“ ist auch in die Vereinbarung zu schreiben. Schon wird uns klar, warum diese Verträge so lang und kompliziert scheinen!

Die grammatikalische Auslegung ist grundsätzlich eng am Wortlaut orientiert. Gleichwohl werden eindeutig unerhebliche Abweichungen zwischen Norm und Sachverhalt toleriert. Beispielsweise bleibt es im Ergebnis dabei, dass ein Essensdieb eine fremde Sache unerlaubt an sich bringt, obwohl er sie strenggenommen „in sich“ gebracht hat.

Systematische Auslegung

Bei der systematischen Auslegung wird nach dem Bedeutungszusammenhang gesucht. Es geht somit um das Zusammenspiel mit anderen Normen im relevanten Regelwerk. Der zugrundeliegende Gedanke ist, dass die Rechtsordnung in sich widerspruchsfrei sein muss. Dadurch hilft die Hinzunahme benachbarter (eindeutiger) Normenbei der Interpretation einer strittigen Norm unter den in Lektion 1.6 besprochenen Kollisionsregeln (übergeordnet schlägt untergeordnet, neu schlägt alt, speziell schlägt generell).

Systematische Schlüsse sind auch die beiden sog. „erst recht-Schlüsse“, die Analogie (wenn hier, dann da ja erst recht) und der Umkehrschluss.

Fazit

Zugegeben eine etwas theoretische Lektion. Was soll verstanden werden? Die Essenz ist:

  • nicht zu kompliziert denken
  • keine fachliche Tiefe in eine Abrechnungsnorm interpretieren, geschweige denn Moral oder Gerechtigkeitssinn

Beides lässt sich bei Gesundheitsberufen, die eine auf Ebene der Vertragspartner – zumeist auf Bundesebene, fernab von der Praxis – verhandelte Vereinbarung umsetzen allzu oft beobachten. Und genau das führt zu Streitigkeiten mit Krankenkassen und zu Gerichtsverfahren, die dann unverständlicherweise in ca. 80% der Fälle zu Ungunsten der Leistungserbringer ausgehen. Dabei wäre das Ergebnis oftmals absehbar gewesen.