Kursinhalt
Einleitung
Ein kurzer Einstieg in die juristischen Gedankenwelt.
0/4
Rechtsstaatliche Prinzipien
Überblick über rechtsstaatliche Prinzipien, Struktur insbesondere Gewaltenteilung und Gesetzgebung
0/3
Rechtsgebiete und Gerichtsbarkeiten
Überblick über die Abgrenzung folgender Rechtsgebiete bzw. Gerichtsbarkeiten: Staatsrecht, Verwaltungsrecht, Strafrecht, bürgerliches Recht, Handelsrecht
0/6
EU-Recht
Überblick über die Organisation der EU sowie Einfluss auf das deutsche Gesundheitswesen
0/1
Allgemeines Recht für Gesundheitsberufe
Lerneinheit

Beim Strafrecht dreht sich alles um die Frage, wie und mit welchen Mitteln die durch den Staat vertretene Gemeinschaft auf sozial abweichendes bzw. unerwünschtes Verhalten reagiert. Insbesondere für Gesundheitsberufe existieren diverse Spezialstrafvorschriften. Sie stehen unter besonderer Beobachtung.

Warum wird gestraft?

Grundsätzlich gibt es zwei gedankliche Zugänge zur Klärung dieser Frage. Zum einen kann Strafe als Vergeltung und zum anderen als (Sekundär-)Prävention gesehen werden. Erstere hat zum Ziel ein ergangenes Unrecht – im Zweifel nur emotional – auszugleichen. Letztere hat einen individuellen Charakter, da ein Täter von einer Wiederholung abgehalten werden soll, und einen generellen Charakter. Denn wenn die Gesellschaft sieht, dass sozial unerwünschtes Verhalten konsequent sanktioniert wird, wird eine abschreckende Wirkung erzielt bzw. sozial gewünschtes Verhalten gefördert. Übertragen auf die Gesundheitsberufe geht es auch darum, das Therapeuten-Patienten-Verhältnis als Ganzes zu schützen. Gesundheit als hohes Gut wird besonders vor „schwarzen Schafen“ geschützt.

Was wird bestraft?

Bestraft wird in Deutschland nur ein Verhalten, das in einem allgemein verbindlichen Gesetz mit Strafe bedroht wurde (Bestimmtheitsgebot). Dabei ist der Zeitpunkt des Verhaltens entscheidend. Denn nur wenn zu diesem Zeitpunkt die Rechtsnorm existierte, so gilt sie. Soll heißen: ein Zeitversatz zwischen beispielsweise staatsanwaltschaftlicher Ermittlung und Gerichtsverhandlung geht nicht zulasten eines möglichen Täters, falls das damalige Verhalten inzwischen strafbar geworden wäre (Rückwirkungsverbot).

Die relevanten Strafnormen finden sich insbesondere im StGB. Doch insbesondere für Gesundheitsberufe finden sich unzählige weitere Strafvorschriften in den Spezialvorschriften (sog. Nebenstrafrecht). Ein Beispiel hatten wir bereits in Lektion 1.4 gesehen.

  • 95 Abs. 1 Nr. 5 AMG wird

[…mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer Arzneimittel, die nur auf Verschreibung an Verbraucher abgegeben werden dürfen, entgegen § 47 Abs. 1 an andere als dort bezeichnete Personen oder Stellen oder entgegen § 47 Abs. 1a abgibt oder entgegen § 47 Abs. 2 Satz 1 bezieht, …]

Aber auch das Medizinproduktegesetz (MPG), das Transplantationsgesetz (TPG), das Betäubungsmittelgesetz (BtMG), usw. kennen Delikte, die so schwer wiegen, dass sie als Straftat normiert sind.

Wann wird gestraft?

Die Kenntnis eines einzelnen Straftatbestandes ist nicht ausreichend für die Beantwortung der Frage, ob ein strafbares Verhalten vorliegt. Denn alle Straftatbestände setzen
Grundelemente strafbaren Verhaltens voraus. Diese finden sich im StGB und beinhalten im Wesentlichen ein dreistufiges Prüfschema:

  1. Tatbestandsmerkmal der Strafnorm erfüllt?
  2. Rechtswidrige Handlung?
  3. Schuldhafte Handlung?

Das klingt zunächst befremdlich. Wie soll eine Strafnorm erfüllt sein, aber gleichzeitig doch nicht rechtswidrig sein? Ein sehr anschauliches Beispiel wäre abermals § 95 Abs. 1 Nr. 5 AMG. Sofern ein Arzneimittel ohne Verordnung abgegeben würde, so bliebe der Tatbestand immer erfüllt. Dennoch kann diese Handlung straffrei bleiben, und zwar z. B. dann, wenn ein rechtfertigender Notstand gemäß § 34 StGB vorlag. Wer also zur Abwendung einer nicht anders abwendbaren Gefahr handeln würde, der verhielte sich eben nicht rechtswidrig.

Beim Thema Schuld ist insbesondere die subjektive Schuld gemeint. Gemäß § 17 StGB existiert der sog. Verbotsirrtum. Aus diesem Grund empfehle ich dem juristischen Laien im Gesundheitswesen immer im Zweifel einen Fachanwalt zu konsultieren, bevor man beispielsweise in ein innovatives Geschäftsmodell einwilligt. Denn insofern der Rechtsexperte zur Ansicht käme, dass das Vorhaben rechtmäßig wäre, so ist mit größter Wahrscheinlichkeit die Bedingung nach § 17 erfüllt, nach der man sich eines Fehlverhaltens nicht bewusst war UND dieser Irrtum nicht vermeiden konnte. Die Konsultation entlastet dann insofern, als das niemand vom Laien verlangen kann zu wissen, was der Profi nicht zu erkennen im Stande ist. Damit wird klar, warum so gerne auf juristische Gutachten zurückgegriffen wird, oder?!

Das Prüfschema verdeutlicht allerdings eines ganz deutlich: eine objektive Schuld ist oft leicht ersichtlich, so dass mit Ermittlungen zu rechnen ist. Ob dann „entlastende“ Gründe vorliegen, zeigt zumeist erst ein Gerichtsverfahren. Dieses Problem haben Gesundheitsberufe aufgrund der unzähligen Strafvorschriften leider sehr oft.