Kursinhalt
Einleitung
Ein kurzer Einstieg
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Grundzüge des Leistungsrechts in der GKV
Wer hat worauf Anspruch? Wer darf welche Leistung erbringen? Welche Grundsätze gelten für die Leistungserbringung?
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Arzneimittel in der stationären Versorgung
Arzneimittel spielen in medizinischer Hinsicht in der stationären Versorgung eine ebenso wichtige Rolle wie im ambulanten Bereich. Doch das pauschalierte System der Krankenhausvergütung führt dazu, dass dies in Bezug auf die Abrechnung mit Ausnahme sehr teurer Arzneimittel weniger bedeutsam sind. Um die Logik der Zusatzentgelte hierfür zu verstehen, gewährt dieses Kapitel einen Einblick in das Gesamtkonstrukt der Krankenhausvergütung.
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Arzneimittel in der ambulant-ärztlichen Versorgung
In diesem Kapitel geht es überwiegend darum, wie das ärztliche Verordnungsverhalten systemseitig beeinflusst wird. Denn "Verursacher" der Kosten bleibt der Arzt in jedem Fall.
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Sozialrechtliche Vergütungs- und Erstattungssysteme für Arzneimittel
Lerneinheit

Vergütungsanspruch der Apotheke

Grundsatz

Spätestens der neue Rahmenvertrag nach § 129 SGB V aus dem Jahr 2019 hat klar gemacht, dass es sich beim „Apothekenhonorar“ um einen gesetzlichen Vergütungsanspruch handelt, der entsteht sobald der Apotheker die Krankenkasse von deren öffentlich-rechtlicher Leistungspflicht gegenüber dem Patienten „befreit“. Dies geschieht mit Belieferung einer ordnungsgemäß ausgestellten vertrags(zahn)ärztlichen Verordnung (vgl. § 6 Abs. 1 RV). Sowohl der Rahmenvertrag nach § 129 SGB V als auch die ergänzenden Lieferverträge gemäß § 129 Abs. 5 SGB V (regionale Verträge/Ersatzkassenvertrag) bestimmen die weiteren Details, die im Rahmen der Abrechnungsprüfung durch die Krankenkassen geprüft werden können.

Vorrang der Versorgung

Neu aufgesetzt wurde der Rahmenvertrag damals insbesondere aufgrund langjähriger „Retax-Streitigkeiten“. Infolgedessen hatte der Gesetzgeber den Vertragsparteien eine Hausaufgabe in § 129 Abs. 4 SGB V geschrieben, wonach zu regeln ist, in welchen Fällen Rechnungskürzungen (sog. Retaxationen) zu unterbleiben haben.

Seither normiert § 6 RV zudem eine Liste von Abweichungen zum Grundsatz der ordnungsgemäßen Verordnung als Grundbedingungen für eine (volle) Vergütung. Insbesondere „formale“ Fehler sollen nunmehr nicht zum Untergang des Vergütungsanspruchs führen. Naturgemäß handelt es sich hierbei um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der allerdings insofern durch die Vertragsparteien konkretisiert wird, als dass es sich um einen solchen handelt, wenn es sich um einen unbedeutenden, die Arzneimitteltherapiesicherheit und Wirtschaftlichkeit der Versorgung nicht wesentlich tangierenden Fehler handelt.

Fälle, die die Vertragspartner explizit geregelt haben, sind dabei vergleichsweise leicht zu verstehen und haben überwiegend die Gemeinsamkeit, dass diese Regelungen die Versorgung des Versicherten in den Mittelpunkt stellen. So darf eine Verordnung nach ärztlicher Rücksprache und Dokumentation auch nach den „üblichen“ 4 Wochen in der GKV beliefert werden (vgl. § 6 Abs. 2 g) g7)). Das „Warum“ will einleuchten. Denn die Alternative wäre den Patienten zurück in die Arztpraxis zu schicken, wo dieser eine neue Verordnung ausstellt, damit der Patient sodann nochmals zurück in die Apotheke zwecks Einreichung kommen kann. Dies scheint überflüssig sofern man den Willen des Arztes bzw. die noch immer vorhandene Notwendigkeit der Arzneimittelversorgung unbürokratisch verifiziert.

Streitpunkte bleiben bestehen

Streitigkeiten spielen sich seither in Bereichen ab, die nicht explizit geregelt sind. Insbesondere nicht vom Apotheker korrigierte/ergänzte Fehler auf der Verschreibung, die zu einem Verstoß gegen die Arzneimittel- oder BtM-Verschreibungsverordnung führen, stellen Fehler da, die durch Krankenkassen im Rahmen der Prüfungen beanstandet werden. Während Apotheker dies aufgrund des formalen Charakters überwiegend als unberechtigt ansehen, ist diese Einschätzung in rechtlicher Hinsicht kaum haltbar. Denn die Verschreibungsverordnungen dienen bereits ihrer Natur nach ganz überwiegend der Sicherheit in der Arzneimittelversorgung.

Ohne „DJ“ keine Party?

Dieses Grundproblem wird mit Blick auf die das Beispiel fehlender Dosieranweisungen (oder der alternativen Kennzeichnung „DJ“ für Dosieranweisung vorhanden) deutlich. Die verpflichtende Angabe gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 7 AMVV wurde mit der Achtzehnten Änderung der AMVV im Oktober 2019 eingeführt. Bereits die ABDA wies in ihrer damaligen Stellungnahme auf die Bedeutung für die Therapiesicherheit hin und teilte gar mit, dass die Apothekerschaft eine solche Regelung seit längerem forderte.

Fehlt die Angabe, so darf der Apotheker diese gemäß Abs. 6 in dringenden Fällen oder wenn eine ärztliche Rücksprache nicht möglich ist – und ihm die Information aus anderen Gründen trotzdem bekannt ist als denknotwendige Voraussetzung – auf der Verschreibung ergänzen.

Oft hört man das Argument, dass ein Fehlen dennoch unbedeutend sei, da die Information nicht verpflichtend auf die Arzneimittelpackung des Patienten zu übertragen sei. Dies verkennt allerdings die Tatsache, dass die Regelungen der AMVV die Zusammenarbeit zwischen Arzt und Apotheker regeln. Sein und Zweck sind insofern ganz woanders zu suchen: bei der Pflicht zu Plausibilitätsprüfung – nicht medizinische Opportunität (!) – der Verschreibungen durch den Apotheker. Hierbei spielt die Dosierung eine ganz wesentliche Rolle.

Wer eine Retaxation in diesem Bereich nun als unzulässig bestreiten will, der verkennt, dass ein Fehlen der Dosieranweisung im Ergebnis per se – weder rechtlich noch fachlich – die Arzneimittelsicherheit nicht nicht tangieren kann.

Prüfwesen

Den formalen Rahmen geben die ergänzenden Lieferverträge gemäß § 129 Abs. 5 SGB V. Diese regeln die „(Re)Taxfristen“ sowie Einspruchsfristen. Jede Krankenkasse ist innerhalb dieses vertraglichen Rahmes in Hinblick auf Prüfumfang, Prüfkriterien und Ausführungsdetails grundsätzlich frei. Gleichwohl ist „nicht prüfen“ ebensowenig eine Option wie „Vollprüfungen“. Dem steht das Wirtschaftlichkeitsgebot bzw. die Pflicht zur Überprüfen dessen Einhaltung im Wege (vgl. Lektion „Wirtschaftlichkeitsgebot“ und „Prüfwesen“), was durch die Aufsicht über die Krankenkassen überprüft wird (vgl. Lektion „BAS“ und „BRH“). Der Ressourcenaufwand einer Krankenkasse muss immer im Verhältnis zu den zu erzielenden Einsparungen stehen.

Trotz der Ausgestaltungsfreiheit lässt sich sagen, dass grundsätzlich nur geprüft werden kann, was in den einschlägigen Lieferverträgen geregelt ist. Denn die herrschende Meinung ist, dass der Apotheker lediglich die dort normierten Prüfpflichten zu beachten hat. Allerdings nähert sich die Rechtsprechung inzwischen einer Position an, die im Vertrags-Teilchen Bereich bereits lange gilt. Demnach wären alle für die Berufsausübung relevanten Rechtsnormen zu beachten, um den Vergütungsanspruch nicht zu gefährden. Hiervon wäre sogar das Berufsrecht umfasst. Es bleibt damit in rechtlicher Hinsicht spannend – in (standes-)politischer Hinsicht droht wohl die nächste Eskalation.

Nicht zu unterschlagen ist die Abrechnungsvereinbarung nach § 300 SGB V samt seiner Anlagen. Denn Abrechnungen, die den dort genannten (technischen) Vorgaben nicht entsprechen, können aus rein technischen Gründen oftmals bereits nicht bezahlt werden. Zwar ist der Anspruch für sich genommen zumeist nicht gefährdet, doch kann das Geld solange nicht „fließen“, bis die Daten korrekt übermittelt wurden (korrekte Rechnungsstellung).