Kursinhalt
Einleitung
Ein kurzer Einstieg
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Grundzüge des Leistungsrechts in der GKV
Wer hat worauf Anspruch? Wer darf welche Leistung erbringen? Welche Grundsätze gelten für die Leistungserbringung?
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Arzneimittel in der stationären Versorgung
Arzneimittel spielen in medizinischer Hinsicht in der stationären Versorgung eine ebenso wichtige Rolle wie im ambulanten Bereich. Doch das pauschalierte System der Krankenhausvergütung führt dazu, dass dies in Bezug auf die Abrechnung mit Ausnahme sehr teurer Arzneimittel weniger bedeutsam sind. Um die Logik der Zusatzentgelte hierfür zu verstehen, gewährt dieses Kapitel einen Einblick in das Gesamtkonstrukt der Krankenhausvergütung.
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Arzneimittel in der ambulant-ärztlichen Versorgung
In diesem Kapitel geht es überwiegend darum, wie das ärztliche Verordnungsverhalten systemseitig beeinflusst wird. Denn "Verursacher" der Kosten bleibt der Arzt in jedem Fall.
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Sozialrechtliche Vergütungs- und Erstattungssysteme für Arzneimittel
Lerneinheit

Einleitung

Die Grundidee eigener zumeist restriktiver Regelungen für Arzneimittelimporte ist die Einhaltung der Vertriebskette mit den Zielen des Erhalts der flächendeckenden Versorgung sowie der Gewähr der Arzneimittel-Sicherheit („deutsche Qualitätsware“). Dies steht allerdings im Spannungsfeld zur handelsliberalen EU-Politik. Eben deshalb bedurfte es in § 73 Abs. 1 Nr. 1a AMG mit Freigabe des Arzneimittelversandhandels gar eine Anpassung für EU-Versandapotheken. Hier findet sich die Erlaubnis für Endverbraucher z. B. bei DocMorris mit Sitz in den Niederlanden Arzneimittel zu bestellen. Anderenfalls wäre dies den Patienten rechtlich nicht erlaubt.

Wichtig ist, dass § 73 Abs. 1 eine Importerlaubnis unter den dort genannten Bedingungen ausschließlich für zugelassene Arzneimittel erteilt. Dahinter verbirgt sich eine weitere Grundidee, wonach die Zulassung gemäß § 21 AMG oder EU-Zulassung Sicherheit und Wirksamkeit des Arzneimittels bewiesen haben. Und nur solche Arzneimittel möchte der Gesetzgeber grundsätzlich in Deutschland eigesetzt wissen.

Neben dem Arzneimittelrecht mit seinem Sicherheitsfokus existiert immer auch die sozialrechtliche Dimension. Dabei sind insbesondere ökonomische Überlegungen relevant. Denn der wirtschaftliche Anreiz für den Reimport wird durch internationale Preisdifferenzen geschaffen. Dadurch ist es möglich, ein Arzneimittel zu einem niedrigen Preis im Ausland zu erwerben und z.B. in Deutschland zu einem höheren Preis zu verkaufen, welcher allerdings noch immer unter dem Preis des Originalproduktes in Deutschland liegt. Die sog. Importquote, welche sich aus dem Rahmenvertrag i. V. m. § 129 Abs. 1 Nr. 2 SGB V ergibt, wonach Apotheken zur Abgabe preisgünstiger Importe verpflichtet sind, fußt ebenfalls auf dieser Grundüberlegung.

Importquote

Definition „Import“

2 Abs. 7 und 8 des Rahmenvertrages nach § 129 SGB V (RV) liefert eine Definition der preisgünstigen Importe. Zunächst einmal handelt es sich hierbei um sog. Parallel- und Reimporte, womit der RV eine Verbindung zum AMG herstellt. Denn als Parallel- und Reimporte werden Arzneimittel bezeichnet, die vom Hersteller für einen ausländischen Markt bestimmt und entsprechend verpackt worden sind. Reimporte werden in Deutschland hergestellt und nach Verbringen ins Ausland zurückgebracht (Export und „Re-Import“); Parallelimporte hingegen werden im EU-Ausland produziert und nach Deutschland verbracht. Ein und dasselbe Produkt wird damit „parallel“ in (mind.) 2 Zielmärkten vertrieben; einmal durch den Originalhersteller und einmal durch den Importeur.

Da das Originalprodukt in Deutschland bereits eine Zulassung hat, ist für die reimportierten Medikamente ein vereinfachtes – oder, wenn europaweit bereits zugelassen: kein – Zulassungsverfahren notwendig. Arzneimittelrechtlich ist der Import sodann nach § 73 Abs. 1 Nr. 1 AMG zulässig, wobei die Importeure hierbei als eigene pharmazeutische Unternehmer auftreten. Als solcher muss dieser im Wesentlichen lediglich die ausländischen Beschriftungen auf der Packung und die Beipackzettel durch deutschsprachige ersetzen bzw. ergänzen („Aufkleber“). Bedingung ist lediglich, dass die Arzneimittel „im Wesentlichen gleich“ sind.

„Im Wesentlichen gleich“ bedeutet, dass in den meisten Fällen Import- und das sog. Bezugsarzneimittel in ihrer Zusammensetzung völlig identisch sind. Abweichungen in den Hilfsstoffen sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu akzeptieren, sofern daraus keine therapeutisch relevanten Unterschiede resultieren. Gleiches gilt für auch für ggf. erforderliche Applikationshilfen (Clexane…).

Quotenregelung

§ 13 des Rahmenvertrages konkretisiert den gesetzgeberischen Willen, das preisgünstige Importe in der Versorgung genutzt werden. Unabhängig von politischen Diskussionen zum Thema – man kann über Sinn und Zweck zweifelsohne streiten – und den differenzierten Vereinbarungen zur Berechnung gilt, dass ca. 2% der Kosten im sog. importrelevanten Markt durch jede Apotheke eingespart werden sollen. Anderenfalls droht den Apotheken ein „Malus“.

Der Begriff der Retaxation wäre im Falle eines Abzugs für den Apotheker hier allerdings nicht glücklich gewählt. Denn eine Retaxation beschreibt die Beanstandung einer konkreten Arzneimittelabgabe im Verhältnis Apotheke – Krankenkasse(vgl. Lektion „Arzneimittelabrechnungsprüfung“). Bei einer Quotenvereinbarung geht es aber eben nicht um eine konkrete Verordnung. Auch wird ein sich ggf. ergebender Malus nicht durch die Krankenkasse verrechnet, sondern dies übernehmen die Apothekenrechenzentren stellvertretend gegenüber der beliefernden Apotheke (vgl. § 13 Abs. 7 RV).Im Übrigen können auch „Guthaben“ angespart werden, so dass eine zeitweise Unterschreitung der Quote nicht zwingend zu einer Strafe führen muss.

Einzelimport in der GKV-Versorgung

Einige Arzneilieferverträge normieren eine Genehmigungspflicht für Importe gemäß § 73 Abs. 1 und 3AMG. Hiermit sind nicht die zuvor benannten Reimporte gemeint.

Import von „Opt-out“-Arzneimitteln

Für „klassische Importe“ gemäß § 73 Abs. 3 existiert die Genehmigungspflicht seit jeher. Vergleichsweise neu ist eine solche für Importe nach § 73 Abs. 1 AMG in einigen Lieferverträgen. Allerdings beinhalten diese Regelungen zusätzlich einen Hinweis auf das sog. opt-out-Verfahren. Es geht bei der Genehmigungspflicht mithin nicht um die Reimporte oder den EU-Versand an Endverbraucher, sondern es besteht ein Zusammenhang mit der frühen Nutzenbewertung. Ohne auf Details eingehen zu müssen (vgl. hierzu Lektion „frühe Nutzenbewertung“), genügt es zu wissen, dass ein pharmazeutischer Unternehmer sein Produkt in einer gewissen Frist nach den Erstattungsbetragsverhandlungen vom deutschen Markt nehmen darf („opt-out“). In der Regel passiert dies, weil dieser mit dem monetären Ergebnis nicht einverstanden ist und er vermeiden möchte, dass die Preise für dieses Arzneimittel in anderen Ländern „kaputt“ gemacht werden („Preisankerwirkung Deutschlands“).

Da die frühe Nutzenbewertung überwiegend bei neuen und innovativen Arzneimitteln durchgeführt wird, sind diese regelmäßig EU-Weit zugelassen („zentrale Zulassung“). Eine solche Zulassung erlischt nicht etwa deshalb, weil man sein Produkt vom deutschen Markt nimmt. Sie bleibt unverändert bestehen. Insofern wäre ein Import dieses Arzneimittels aus dem EU-Ausland als Import gemäß § 73 Abs. 1 AMG zu klassifizieren; § 37 AMG Abs. 1 besagt dies ausdrücklich. –

Ohne eine entsprechende Genehmigungspflicht könnten diese Arzneimittel nun zu den – im GKV-Verständnis überhöhten – Preisen des Auslands importiert und zulasten der Solidargemeinschaft abgerechnet werden.

Generell muss ein solches Arzneimittel aus zuvor benannten Gründen als unwirtschaftlich betrachtet werden. Das Wirtschaftlichkeitsgebot untersagt allerdings unwirtschaftliche Leistungen. Der Krankenkasse kann jedoch erst über den Kostenübernahmeantrag eine einzelfallbezogene Bewertung ggf. unter Zuhilfenahme des Medizinischen Dienstes (MD) ermöglicht werden. Auf der patientenindividuellen Ebene könnte auf diese Weise ein Anspruch bejaht werden, wenn das Arzneimittel in diesem medizinisch begründeten Einzelfall dann eben doch wirtschaftlich ist (vgl. auch Lektion „offlabel-use“).

Vor Einführung dieser speziellen Genehmigungspflicht ging es lange vergleichsweise chaotisch zu, weil die meisten Beteiligten fälschlicherweise von einem Import nach § 73 Abs. 3 ausgegangen waren. Das war insbesondere für die Apotheken aufwändig, weil ein Import nicht-zugelassener Arzneimittel bedeutend strenger geregelt und damit bedeutend aufwändiger ist. Das fängt mit der Überprüfung der Importvoraussetzungen an und hört mit der Pflicht zur einzelfallbezogenen Dokumentation gemäß § 18 ApBetrO auf. Insofern ist mit der Genehmigungspflicht auch in Bezug auf den Aufwand der Beteiligten die richtige Richtung eingeschlagen worden.

Klassischer Einzelimport

§ 73 Abs. 3 AMG ist eine Ausnahme vom Grundsatz, dass wir in Deutschland nur zugelassene – also sichere – Arzneimittel wollen. Bei einer Versorgungslücke im Einzelfall können dann kleine Mengen für eine Einzelperson unter den Bedingungen, dass keine Alternative in Deutschland in Bezug auf den Wirkstoff und die Wirkstärke zur Verfügung steht, importiert werden. Im Endeffekt geht es darum, den Handlungsspielraum eines Arztes im medizinisch begründeten Einzelfall zu erweitern. Ob das Arzneimittel dann aus der Türkei oder den USA kommt ist nebensächlich. Hier geht es somit regelmäßig nicht um Lieferengpässe. Vielmehr geht es um Fälle bei denen alle verfügbaren Therapiealternativen bereits ausgeschöpft wurden. Womöglich existiert allerdings dann irgendwo in der Welt ein neues innovatives Arzneimittel, welches zwar hier noch nicht zugelassen ist, aber helfen könnte.

Von diesem Ausgangspunkt her betrachtet werden auch die sozialrechtlichen Regelungen dazu klar. Denn Importe gemäß § 73 Abs. 3 sind grundsätzlich zunächst keine Kassenleistung. Denn gemäß § 2 Abs. 1 SGB V haben Patienten Anspruch aus Leistungen deren Qualität und Wirksamkeit nachgewiesen ist(vgl. auch Lektion „offlabel-use). Mangels Zulassung der Arzneimittel in Deutschland oder der EU ist dies bei den hier in Rede stehenden Arzneimittels allerdings nicht der Fall. Eben aus diesem Grund gab es für Arzneimittelimporte nach § 73 Abs. 3 AMG seit jeher eine (Einzelfall-) Genehmigungspflicht, deren Bescheidung grundsätzlich eine individuelle Prüfung des Falls durch den MD erforderlich macht. Erst wenn der MD bestätigt, dass es keine sinnvolle Alternative gibt und der Therapieversuch mit dem ausländischen Mittel funktionieren könnte, wird dieses zur Kassenleistung in diesem konkreten Einzelfall. Im Genehmigungsfall gilt sodann auch hier gemäß § 22 des Rahmenvertrages nach § 129 SGB V der Preisaufschlag gemäß AMPreisV auf den Importpreis.

Import bei Versorgungsengpässen

Wichtig ist hier zu unterscheiden; und zwar zwischen dem zuvor beschriebenen Versorgungsnotstand im Einzelfall und den hier gemeinten Versorgungsengpässen in der BreiteDieses Thema hat der Gesetzgeber separat für „Krisenzeiten“ in § 79 AMG geregelt. Im Falle der Tamoxifen-Krise im Jahr 2022 griffen diese Bestimmungen erstmals medienwirksam. Hier gelten im Prinzip eigene Regeln, die das BMG und nicht das Parlament erlässt, sofern es sich um einen Notstand in der Arzneimittelversorgung handelt. Gemäß Abs. 5 können dann auch nicht in Deutschland zugelassene Arzneimittel nach ministerialer Feststellung des Mangels und unter den behördlich zu definierenden Bedingungen (BfArM) befristet importiert werden. Sozialrechtlich ist dieses Thema bisher kaum geregelt. Dies erscheint auch entbehrlich, da sich die Vertragspartner in Krisenzeiten in der Regel unbürokratisch einigen.