Vertragsärztliche Versorgung
Waren die Sektoren „ambulant“ und „stationär“ in historischer Hinsicht lange Zeit klar voneinander getrennt, so hat sich dies aufgrund sektorübergreifender Ansätze zusehends verändert (vgl. insbesondere §§ 115b ff. SGB V). Doch auch der Umfang der Leistungserbringer der vertragsärztlichen Versorgung im engeren Sinne wurden erweitert. Gemäß § 95 SGB V dürfen Ärzte, medizinische Versorgungszentren (MVZ) und „ermächtigte Ärzte“ an dieser teilnehmen. Sie alle befinden sich damit innerhalb des in Lektion „Exkurs: Grundlangen der ärztlichen Vergütung“ beschriebenen Vergütungssystems und sind den dortigen vertragsärztlichen Regelungen unterworfen (BMV-Ä, GBA-Richtlinien, Wirtschaftlichkeitsprüfung, etc.)..
MVZ
Ein medizinisches Versorgungszentrum (MVZ), das nicht an ein Krankenhaus angeschlossen ist, kann ein starker und unbequemer Verhandlungspartner für die Krankenhäuser sein. Doch gemäß § 95 Abs. 1a SGB V kann ein Krankenhausträger auch Gründungsmitglied bzw. Betreiber eines möglichst am Krankenhaus angesiedelten MVZ sein, und über diesen Weg an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen.
Der Vorteil dieser sektorübergreifenden Versorgung für das Krankenhaus liegt auf der Hand. Organisation bzw. Abstimmung der Voruntersuchungen können im Vorfeld einer einer stationären Therapie zu einer kürzeren Verweildauer führen und damit Kosten einsparen und zusätzlich eine Vergütung im ambulanten Bereich auslösen. Weiterhin kann auch das Entlassungsmanagement mit einem MVZ am Krankenhaus professioneller betrieben werden.
Auch auf der Verhandlungsebene können sich Vorteile ergeben. Die Bündelung von ambulanten Leistungserbringern in einem MVZ verringert Abstimmungsnotwendigkeiten bezüglich der (prä- oder post-operativen) Therapie, des Einweisungsverhaltens oder ermöglicht gar die gemeinsame Nutzung oder Beschaffung von Großgeräten.
Ermächtigte Ärzte
Wer an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen will ohne Vertragsarzt zu sein, braucht dafür eine sog. Ermächtigung zur Teilnahme dieser. Die gängigste Variante ist die persönliche Ermächtigung von Krankenhausärzten. Aber auch Ärzte in Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, stationären Pflegeeinrichtungen oder Instituten, die ambulante Leistungen erbringen wollen, können ermächtigt werden. Eine solche erteilt der Zulassungsausschuss der jeweiligen KV allerdings nur dann, wenn eine Versorgungslücke besteht, die die Niedergelassenen nicht decken können (§ 116 SGB V in Verbindung mit § 31a Ärzte-ZV). Regelmäßig wird die Ermächtigung daher zeitlich, räumlich und dem Umfang nach – ggf. auf bestimmte EBM-Leistungen – begrenzt.
Spezielle Versorgungsformen
Die Gründe für das Verschwimmen der Grenzen sind jedoch vielfältig. Neben der Idee, die Patientenversorgung durch Kooperation und Spezialisierung qualitativ zu verbessern, schwingen immer auch sekundäre Erwägungen mit ein. Im Ergebnis sind spezielle Versorgungsangebote – mit eigenen vertraglichen Grundlagen (!) – neben der vertragsärztlichen Versorgung entstanden, die in Grenzen auch in Konkurrenz zu dieser treten, obwohl Ader gerade weil sie separat vergütet werden.
Mit Blick auf die Arzneimittelversorgung existieren auch für diese Versorgungsformen kaum Besonderheiten. Die AM-RL gilt ebenso (vgl. § 1 AM-RL ggf. i. V. m. den Spezialverträgen), wie die Unterwerfung unter die Wirtschaftlichkeitsprüfungen (vgl. z. B. § 1 Prüfvereinbarung BW). Vielmehr gilt es einen Blick auf die Versorgungsrealität zu werfen. Denn Krankenhäuser können nicht nur an der ambulanten medizinischen Versorgung teilnehmen, sondern unter bestimmten Bedingungen an der Arzneimittelversorgung durch den Betrieb eigener (Krankenhaus-)Apotheken nach § 129a SGB V (vgl. Kapitel „Apotheken und Arzneimittelpreise“).
Ambulantes Operieren
Krankenhäuser können zur ambulanten Durchführung von einigen katalogmäßig erfassten bzw. verhandelten Operationen (AOP-Katalog) und stationsersetzenden Eingriffen gesetzlich zugelassen werden (vgl. § 115b SGB V). Sie stehen damit in Konkurrenz zu den niedergelassenen Ärzten. Auch umgekehrt steigt der Druck auf die Krankenhäuser solche Versorgungsleistungen anzubieten. Aufgrund der Bestrebungen zur Ausweitung des AOP-Kataloges (vgl. Lektion „Krankenhausabrechnungsprüfung„) wird die Vergütung des Krankenhauses zugunsten des ambulanten Bereichs künftig entfallen.
Ambulante Spezialfachärztliche Versorgung
Krankenhäusern ist es in Kooperation gemäß § 116b SGB V – bei Vorliegen von Versorgungslücken auch ohne Kooperationspartner – erlaubt, Patienten mit schwerwiegenden Krankheiten wie Krebs, Multipler Sklerose, Mukoviszidose oder AIDS ambulant zu behandeln. Der Gesetzgeber hat die Grenze zum ambulanten Sektor somit verschoben, um hoch spezialisierte Leistungen bei seltenen bzw. besonders schweren Krankheiten erbringen zu lassen.
§ 117 – 120 SGB V
Über § 117 bis 120 SGB V normiert der Gesetzgeber weitere Ausnahmen der Teilnahme von Krankenhäusern und weiteren Institutionen an der ambulanten Versorgung. Beispielsweise seien die Hochschulambulanzen, Psychiatrische Institutsambulanzen und Geriatrische Institutsambulanzen genannt. Hochschulambulanzen nach § 117 SGB V dürften dabei praktisch uneingeschränkt auch „Bagatellerkrankungen“ behandeln, um ihren Forschungs- und Ausbildungsauftrag erfüllen zu können.
Entlassmanagement
Das Entlassmanagment nach § 39 Abs. 5 SGB V hingegen ist ein Beispiel, welches zeigt, dass Krankenhäuser in die ambulante Versorgung auch dann einbezogen werden, wenn die Versorgungsrealität über längere Zeit Probleme an der Schnittstelle zwischen stationärer und ambulanter Versorgung offenbart.