Die Gründe für Meinungsverschiedenheiten zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern sind vielseitig. Dennoch lassen sich einige Grundprobleme herauskristallisieren, die nicht nur zu Verärgerung und Unverständnis auf beiden Seiten, sondern auch zu finanziell relevanten Rückforderungen (Regresse/Retaxationen) und dem damit verbundenen Verwaltungsaufwand führen.

Die Hauptprobleme der ständigen Missverständnisse und des Ärgers sind die unterschiedlichen Denkweisen und der unterschiedliche Sprachgebrauch der Beteiligen.

Auf der einen Seite steht der naturwissenschaftlich und heilberuflich orientierte Leistungserbringer (z. B. Arzt oder Apotheker) mit seiner patientenzentrierten Sichtweise, und auf der anderen Seite steht der Mitarbeitende der Krankenkasse mit dessen betriebswirtschaftlichen und/oder juristischen Grundverständnis. Ein und derselbe Sachverhalt kann sich durch die unterschiedliche Betrachtungsweise völlig unterschiedlich darstellen. Einen digitalen Übersetzer oder ein Wörterbuch nach dem Vorbild der beliebten Langenscheidt-Serie sucht man im GKV-Bereich jedoch vergebens.

Oft fehlt es an einer „Übersetzungshilfe“ ala Leistungserbringer – Krankenkasse bzw. Leistungserbringer – Krankenkasse.

Beispiel gefällig?

1

Immer wieder für Abgabeprobleme sorgen Medizinprodukte. In der Praxis stellt sich nicht zuletzt aufgrund der Vereinigung der Bereiche Arznei-, Hilfs- und Verbandmittel in dieser Produktgruppe die Frage nach einer möglichen Genehmigungspflicht.
Oft deuten bereits Arzt-/ und Apothekensoftware auf einen Erstattungsausschluss hin. Doch diese Hinweise sind aufgrund der Einschränkungen und Ausnahmen der Ausnahmen in der Versorgungsrealität allerdings zumeist wenig hilfreich. Im Zweifel entscheidet sich die Apotheke dann im Interesse des Patienten und zur eigenen Sicherung der Vergütung für eine Genehmigungsanfrage bei der Krankenkasse – kann ja abgesehen von dem eventuell unnötigen Mehraufwand nicht schaden…

2

Handelt es sich nun allerdings um einen Artikel der in der ambulanten Versorgung grundsätzlich nicht abgabefähig ist, entsteht durch dieses Vorgehen auch bei der Krankenkasse ein unnötiger Bearbeitungsmehraufwand. Denn ein von der Versorgung ausgenommener Artikel wird in der Mehrzahl der Fälle nicht genehmigungsfähig und damit nicht genehmigungspflichtig sein. Allenfalls kann der Patient eine individuelle Notwendigkeit gegenüber der Krankenkasse geltend machen und eine Versorgung erwirken. Im Verhältnis Apotheke-Krankenkasse hingegen hat ein entsprechender Antrag wenig zu suchen. Da sich aufgrund der allgemeinen Verunsicherung Genehmigungsanfragen dieser Art allerdings häufen, haben auch einige Krankenkasse ihre Bearbeitungsprozesse optimiert. Genehmigungsanfragen für nicht genehmigungspflichtige Artikel werden teilweise mit Standardbriefen beantwortet, in denen – mehr oder minder ausführlich und begründet – eben auf die nicht vorhandene Genehmigungspflicht hingewiesen wird.

3

Das (Retax-)Unglück nimmt nun seinen Lauf, da der Apotheker den juristisch sauber formulierten Ablehnungsschreiben meist nur die Kernaussage bzgl. der nicht vorhandenen Genehmigungspflicht entnimmt und einem folgenschweren Irrtum aufsitzt, wenn er den Artikel nun abgibt. Denn es ist weder von der Krankenkasse eine Kostenübernahme zugesichert noch die Abgabefähigkeit bestätigt worden. Es wurde – ins “Apothekerdeutsch” übersetzt – ausschließlich mitgeteilt, dass die vorliegende Anfrage überflüssig war.

Einige Monate später ist die Verwunderung über die logische Retaxation dann zumeist groß. Es muss sich um einen Fehler der Abrechnungsstelle handeln. Schließlich hält man das entlastende Schriftstück der Krankenkasse ja selbst in der Hand. Dies wird per Fax zusammen mit einigen Zeilen, die den eigenen Unmut ausdrücken sollen, als Einspruch eingesendet – diesen “Retax-Raubrittern” will man schließlich die Leviten lesen. Kommt dann prompt die Ablehnung des mühevoll formulierten Einspruchs ins Haus versteht man die Welt dann überhaupt nicht mehr.

4

Dieses Beispiel verdeutlicht recht genau, was ich mit fehlgeschlagener Kommunikation zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern meine. Es wird ohne Berücksichtigung des Empfängerhorizonts auf völlig unterschiedlichen Ebenen miteinander kommuniziert. Dies führt zu teilweise verheerenden Fehlinterpretationen von Aussagen und Bestätigungen.
Was also tun?

“Man könnte auf die Idee kommen von den Krankenkassen mehr Verständnis und Entgegenkommen für die Leistungserbringer verlangen. Jedoch sieht die Situation von außen betrachtet anders aus:
Zu den Rechten und Pflichten der Leistungserbringer in der GKV gehört auch die Auseinandersetzung mit Rechtsvorschriften und Verträgen. Diese Pflicht ist bei den Heilberufen zumeist sowohl berufsrechtlich UND sozialrechtlich normiert. Dies leuchtet auch ein, da sie über Gelder der Solidargemeinschaft finanziert werden und damit auch eine Mitverantwortung tragen, dass mit diesen Geldern sparsam umgegangen wird. Dies dient dem Schutz der Beitragsstabilität. Es ist dabei keineswegs erforderlich ein Meister des Sozialrechts zu werden, aber ein Grundverständnis sorgt für einen besseren Fokus auf mögliche Stolpersteine sowohl in der vertragsgemäßen Patientenversorgung als auch in der direkten Kommunikation mit den Krankenkassen.”
Dr. Dennis A. Effertz
Founder

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