
Kontrahierungszwang in der Apotheke bedeutet nicht weniger, als dass insbesondere für ärztlich verschriebene Arzneimittel eine grundsätzliche Abgabgeverpflichtung für den Apotheker besteht. Damit wird die grundsätzliche Vertragsfreiheit des Apothekers zugunsten der Sicherstellung der Arzneimittelversorgung „für jedermann“ stark eingeschränkt.
Was ist der Kontrahierungszwang?
Grundsätzlich steht es jedem frei, mit wem er Geschäfte macht und mit wem nicht. Dabei handelt es sich um die sog. Privatautonomie über die Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG. Man spricht auch von Vertragsfreiheit. Der Kontrahierungszwang beschreibt nun die dem entgegen gerichtete (gesetzliche) Rechtspflicht einer Vertragspartei, mit einer anderen Partei einen Vertrag eingehen zu müssen. Er beschränkt damit die allgemeine Vertragsfreiheit. Kontrahierungszwänge werden regelmäßig im Bereich der Grundversorgung normiert. So existieren entsprechende Pflichten beispielsweise im Bereich der Finanzdienstleistung (Einrichtung eines Zahlungskontos), bei den Grundversorgern (Strom, Wasser), den gesetzlichen Krankenkassen oder eben den Apotheken (Arzneimittel).

Kontrahierungszwang in der Apotheke
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Aufgrund des gesetzlichen Versorgungsauftrages der Apotheke (vgl. § 1 Abs. 1 ApoG) kann der Apotheker nur bedingt vom Grundrecht der Vertragsfreiheit Gebrauch machen. Hauptaufgabe von Apotheke und Apotheker ist die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung. Damit besteht die Abgabeverpflichtung ausschließlich für Arzneimittel und nicht etwa für alle Produkte in einer Apotheke. Dennoch sind dadurch die Freiheiten des Apothekers eingeschränkt. So ist es z. B. nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich etwa ein Hausverbot in der Apotheke zu verhängen.
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Für Apotheker ist neben dem allgemeinen Arzneimittelversorgungsauftrag nach § 1 Abs. 1 ApoG insbesondere § 17 Abs. 4 ApBetrO einschlägig, wonach ärztliche Verschreibungen in angemessener Zeit ausgeführt werden müssen (sog. Kontrahierungszwang in der Apotheke). Hieraus ergibt sich, dass der Kontrahierungszwang für ärztlich verschriebene Arzneimittel (Rx) konkreter und damit „stärker“ ausgestaltet wurde, als bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (OTC). Zudem kommt dem Apotheker bei letzterer Gruppe immer auch ein Ermessensspielraum zu, da er sowohl die individuelle Eignung des Arzneimittelwunsches zu bewerten hat (vgl. § 20 Abs. 2 S. 4 ApBetrO), als auch einem Arzneimittelmissbrauch entgegenzuwirken hat (vgl. § 17 Abs. 8 ApBetrO).
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Bedenken, Unklarheiten oder Irrtümer nach § 17 Abs. 5 ApBetrO können einer Abgabe (temporär) entgegenstehen. Eine Verletzung des Kontrahierungszwangs ist in diesen Fällen nicht gegeben, da hierdurch zunächst ein vorläufiges Abgabeverbot entsteht. Den Apotheker trifft nun eine Aufklärungspflicht beim Arzt; etwa wenn eine Verschreibung unleserlich ist oder zunächst fragwürdig erscheint. Der Arzt wiederum kann auf die Ausführung der Verschreibung bestehen, da der Apotheker nicht in die Therapiehoheit des Arztes eingreifen darf.
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Auch die ärztliche Therapiehoheit kennt Grenzen. Etwa darf er sich nicht über Bedenken des Apothekers beispielsweise bei sog. bedenklichen Arzneimitteln hinwegsetzen bzw. der Apotheker darf in diesen Fällen nicht nachgeben. Denn gemäß § 5 AMG besteht für Arzneimittel, bei denen ein begründeter Verdacht auf schädliche Wirkungen trotz bestimmungsgemäßen Gebrauchs besteht, ein striktes Abgabeverbot. In der Praxis kommt dies beispielsweise bei obsoleten Rezepturen vor (–> Plausibilitätskontrolle!). Ebenfalls vom Kontrahierungszwang ausgenommen sind Arzneimittel nach § 8 AMG. Davon sind Arzneimittel mit geminderter Qualität (cave: z. B. instabile Zubereitungen!), gefälschte Arzneimittel (Stichwort: securpharm) oder abgelaufene Arzneimittel umfasst. Eben aus dieser Vorschrift ergibt sich die sog. Quarantäne-Vorschrift nach § 16 ApBetrO. Denn auch nicht geprüfte Ausgangsstoffe lassen sich mangels eindeutiger Identifizierung unter § 8 AMG subsumieren.

Der Kontrahierungszwang der Apotheke ist grundsätzlich umfassend. Doch entbindet er nicht von den Prüf- und Aufklärungspflichten des Apothekers. In der Praxis ist somit genau zu unterscheiden, welche Art von Bedenken sich gegen eine Verschreibung oder anderweitige Abgabe von Arzneimitteln ergeben. Anderenfalls bleibt unklar, wie man sich zu verhalten hat, oder wo man gegenüber dem Arzt nachgeben darf oder muss.